Wie erkennt man Zwangsstörungen? Welche Zwangserkrankungen gibt es?
Menschen, die an Zwangsstörungen leiden, haben den unkontrollierbaren Drang, entweder immer wieder an bestimmte Dinge zu denken, oder bestimmte Handlungen immer wieder auszuführen. Wir unterscheiden dabei also zwischen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Zwangsstörungen wurden früher auch als anankastische Neurose oder Zwangsneurose bezeichnet. Zwänge können mit den Mitteln der kognitiven Verhaltenstherapie und der Hypnose behandelt werden.
Kennzeichen von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen
Bei den Zwangsgedanken ist es oft so, dass Betroffene einige Gedanken einfach nicht mehr kontrollieren können. Diese Gedanken drängen sich dann immer wieder auf. So kann es z.B. sein, dass ein Vater plötzlich die fixe Idee entwickelt, er könnte sein eigenes Kind mit dem Auto verletzen. Oder eine Frau denkt immer wieder daran, an Krebs zu erkranken und daran schliesslich sterben zu können. Oder es entsteht ein Zählzwang, bei dem unablässig Gegenstände, Worte oder Buchstaben gezählt werden.
Bei den Zwangshandlungen gibt es Betroffene, die extrem viel Zeit darauf verwenden, alles zu ordnen, aufzuräumen und zu sortieren. Das kann sich soweit steigern, dass kaum noch Zeit für soziale Aktivitäten oder Freizeit zur Verfügung steht. Andere Menschen, die unter Zwangshandlungen leiden, waschen sich täglich sehr häufig. Dies soll eine Infektion mit Keimen und Bakterien und eine befürchtete Entwicklung einer Erkrankung verhindern.
Auch das häufige Kontrollieren, ob z.B. elektrische Geräte ausgestellt wurden, die Haustüre abgeschlossen wurde etc. fällt in den Bereich der Zwangshandlungen. Je länger die Zwangserkrankung anhält, desto mehr entwickeln sich Rituale, wie die Zwangshandlungen ausgeführt werden. Über die Zwangshandlungen wird versucht, die Zwangsgedanken zu neutralisieren. Den Betroffenen ist die Irrationalität Ihrer Handlungen dabei durchaus bewusst. Trotzdem werden die Zwangshandlungen weiterhin ausgeführt, da sie zu einer kurzfristigen Beruhigung und Entlastung führen. Können die Zwänge nicht ausgeführt werden, so führt dies zu einer verstärkten Anspannung und Unruhe.
Zwangshandlungen treten in den folgenden Bereichen häufig auf:
- Reinigungszwänge (insbesondere häufiges Händewaschen)
- übertriebene Reinlichkeit und Sauberkeit
- Kontrollzwänge
- Ordnungszwänge
- Zählzwänge
- Sammeln und Horten von Gegenständen
Symptome von Zwangserkrankungen
Gemäß ICD-10 gelten bei Zwangserkrankungen folgende diagnostische Leitlinien:
1. Die Zwangsgedanken oder zwanghaften Handlungsimpulse müssen von Betroffenen als seine eigenen erkannt werden und nicht als von aussen aufgezwungen.
2. Mindestens gegen einen Zwangsgedanken oder gegen eine Zwangshandlung müssen Betroffene noch Widerstand leisten.
3. Der Zwangsgedanke oder die Zwangshandlung dürfen nicht an sich angenehm sein und werden von Betroffenen als sinnlos oder übertrieben erlebt.
4. Die Zwangssymptome müssen sich in unangenehmer Weise wiederholen (stereotyp).
Der mit der Zwangsausführung verbundene hohe Zeitaufwand schränkt Betroffene sowohl in ihren sozialen Kontakten als auch in ihrer allgemeinen Leistungsfähigkeit sehr stark ein.
Für die Diagnose einer Zwangserkrankung müssen mindestens zwei Wochen lang an den meisten Tagen Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen oder beides vorliegen.
Zwangsstörungen und andere psychische Erkrankungen
Die Komorbidität (gleichzeitig vorliegende Erkrankungen) von Zwangserkrankungen mit anderen psychischen Erkrankungen ist hoch. So zeigen sich verstärkt Überschneidungen mit depressiven Störungen und Dysthymie, Angststörungen (vor allem Panikstörung und soziale Phobie), Alkoholabhängigkeit und mit Essstörungen.
Abgrenzung von Zwangsstörung und zwanghafter Persönlichkeitsstörung
Abzugrenzen von der Zwangsstörung ist die zwanghafte Persönlichkeitsstörung. Die auch als obsessiv-kompulsive Persönlichkeitsstörung bezeichnete Störung zeichnet sich aus durch eine übertriebene Genauigkeit, Gewissenhaftigkeit, Perfektionismus und Rigidität. Im Vergleich zur Zwangsstörung können zwar auch Zwangsgedanken auftreten, es treten aber keine Zwangshandlungen auf.
Psychotherapeutische Behandlung bei Zwangsstörungen
Bei der Verhaltenstherapie erfolgt eine direkte Konfrontation mit den Zwangshandlungen. Dabei ist das Verfahren der Wahl die sogenannte Reizkonfrontation mit Reaktionsverhinderung. Hierbei erfolgt eine allmähliche direkte Konfrontation mit dem auslösenden Reiz (z.B. bei einem Waschzwang wird eine “verschmutzte” Türklinke angefasst). Anschließend sollen KlientInnen dann nicht direkt die Hände waschen (d.h. es erfolgt eine Reaktionsverhinderung).
Durch die allmähliche Konfrontation lernen die Betroffenen mit der Zeit, dass Angst und Unruhe auch verschwinden, wenn die Zwangshandlungen nicht ausgeführt werden. Die einzelnen Schritte der Reizkonfrontation werden in der Sitzung mit dem Therapeuten vorbesprochen. Die praktische Ausführung erfolgt in enger Begleitung mit dem Therapeuten.
Die therapeutische Erfahrung hat mir allerdings gezeigt, dass es in vielen Fällen lohnenswert ist, die verhaltenstherapeutischen Schritte bei der Behandlung von Zwängen mit Hypnosetherapie zu unterstützen. Durch den Einsatz von Hypnose können die seelischen Verletzungen aus der Kindheit, die einer Zwangserkrankung oftmals zugrunde liegen, gezielt angegangen werden, so dass diese verarbeitet werden können. Denn bei der Hypnotherapie wird eine Bewältigung der Emotionen ermöglicht, die aus diesen frühen Verletzungen resultieren. Das Ergebnis ist dann nicht nur eine Überwindung der Zwänge, sondern auch eine generell grössere Lebenszufriedenheit und Lebensqualität.